Katharina Fontana (NZZ 13.6.23)
Es ist ein eher unüblicher Vorgang, dass sich eine Bundesrätin im Parlament für das Vorleben eines Chefbeamten erklären muss. In der nationalrätlichen Fragestunde vom Montag musste Finanzministerin Karin Keller-Sutter genau das tun, und man darf davon ausgehen, dass sie dies trotz ihrem Lächeln nicht amüsant fand. Konkret geht es um Pascal Hollenstein. Er ist seit wenigen Wochen verantwortlich für die Kommunikation des Finanzdepartements. Hollenstein war viele Jahre lang Journalist, bis 2022 nahm er die Stelle als Leiter Publizistik bei CH Media ein und war in dieser Funktion ein Schwergewicht in der Medienszene.
Einsatz für das «Team Jolanda»
Als er im Mai seinen neuen Job im Finanzdepartement antrat, erfolgte dies unter Nebengeräuschen. Denn Hollenstein tauchte als eine der Hauptfiguren in den sogenannten #Hateleaks auf, welche die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger ab Mitte Mai auf einem Internetportal portionenweise veröffentlichte. Bei den #Hateleaks handelt es sich um Auszüge aus einem privaten Chat eines Netzwerks, das im Jahr 2020 von Jolanda Spiess-Hegglin ins Leben gerufen worden war und mehrere Mitstreiterinnen umfasste. Ziel der linksfeministischen Frauengruppe war es offenbar, die ungeliebte Binswanger zu diskreditieren, und zwar gründlich: «Unser Ziel muss es sein, dass sie als Journalistin auswandern kann», wird aus dem Chat zitiert. Hintergrund des Aufruhrs war das geplante Buch, das Binswanger über die Skandalnacht der Zuger Landammannfeier schreiben und das Spiess-Hegglin verhindern wollte – ohne Erfolg.
Im Chat der Frauengruppe taucht auch der Name von Hollenstein auf, und zwar als Freund und Helfer. Laut den #Hateleaks soll er einen für einen Journalisten eigentümlich engen Austausch mit Jolanda Spiess-Hegglin gepflegt und journalistisch getarnte Öffentlichkeitsarbeit zu ihren Gunsten betrieben haben – «Hochverrat am Leser» nennt es Binswangers Portal. Tatsächlich war Hollensteins engagierter journalistischer Einsatz für Spiess-Hegglin und die stattliche Zahl von Artikeln, die er ihrer Sache widmete, in der Medienszene nicht unbemerkt geblieben. Hollenstein war allerdings nicht der einzige Journalist, den man dem «Team Jolanda» zuordnen konnte, es gab bzw. gibt auch weitere. Ebenso wie es Journalisten gab bzw. gibt, für die Spiess-Hegglin eine unwiderstehliche Reizfigur ist, gegen die sie seit Jahren unerbittlich anschreiben.
Dürre Worte der Chefin
Dasselbe Bild zeigt sich in der Politik. Definitiv nicht im «Team Jolanda» befinden sich die SVP-Nationalräte Thomas Matter und Andreas Glarner. Sie brachten das Thema #Hateleaks und Hollensteins mutmassliche Verstrickungen ins Parlament und wollten von Karin Keller-Sutter wissen, wie der Bundesrat das Verhalten von Hollenstein beurteile und ob er als Kommunikationschef noch tragbar sei.
Die Antwort, die Keller-Sutter den beiden Fragestellern gab, war denkbar kurz. «Der in den Fragen formulierte Vorwurf bezieht sich auf Artikel aus einer früheren Tätigkeit der angesprochenen Person. Der Bundesrat hat keinen Anlass, hierzu Stellung zu nehmen.» Dass sich Keller-Sutter nicht öffentlich über das frühere Verhalten ihres frischgebackenen Kommunikationschefs äussern will, ist nicht wirklich erstaunlich. Die dürren Worte bedeuten umgekehrt aber nicht, dass sich die imagebewusste und auf saubere Verhältnisse bedachte Keller-Sutter keine Gedanken über die Personalie macht. Von Hollenstein selber ist in dieser Angelegenheit nichts zu hören, er scheint die ungemütliche Sache aussitzen zu wollen.